Flanderns immaterielles Kulturerbe: immer wieder beeindruckend

Belgian Beer battle Flanders

Wer Flandern sagt, meint auch immer Kulturerbe. Kathedralen und Belfriede, Beginenhöfe und Schlösser. Und selbstverständlich die große Kunst unserer Flämischen Meister. Aber wer sagt, dass Geschichte und Kulturerbe greifbar sein müssen? Flandern hat auch ein reichhaltiges immaterielles Kulturerbe zu bieten. Vom Bierbrauen über den Anbau von Chicorée und Trompetenschall bis zu einem Umzug mit einem großen Holzpferd. Unsere jahrhundertealten Traditionen und das entsprechende fachmännische Können machen uns zu denen, die wir sind.

Belgian Beer Battle Flanders

Die belgische Bierkultur

Belgien ist das Mekka der Bierliebhaber. Punktum. Bereits seit Jahrhunderten erweisen sich unsere Brauer als Alchemisten, die aus Gerste, Malz, Hopfen und Wasser die herrlichsten Biere brauen. Das zeigt sich sowohl in der Qualität als auch der Quantität. Unser Land verfügt über nicht weniger als 1.500 einzigartige Biere, mit mehr als 700 verschiedenen Geschmacksprofilen. Von Pils und Trappist über das flämische Rotbraun bis zum ewig spritzigen Geuze: die Möglichkeiten sind unendlich.

Der herrliche Gerstensaft wird uns auch weiterhin überraschen und inspirieren. Die Techniken, die Leidenschaft und die Erfahrung, die uns diesen Reichtum schenkten, sorgen auch für die Zukunft. Heute arbeitet eine neue Generation von Brauern mit demselben Elan weiter, sodass unser einzigartiges Verhältnis zum Bier niemals schwinden wird.

Chicory (Belgian endive)

Der Anbau von Chicorée

So wie einst ein Mönch versehentlich den Champagner erfand - jedenfalls der Überlieferung nach - erblickte auch eines der feinsten Produkte Flanderns nur durch einen glücklichen Zufall das Licht der Welt. Vor rund 200 Jahren steckte ein Gärtner im Brüsseler Kräutergarten eine Handvoll unbekannter Samen unter eine dicke Schicht fruchtbarer Erde. Im Dunkeln und ohne, dass er es wusste, sollte durch sein Tun eine Ikone entstehen: der belgische Chicorée.

Das weiße Gold entwickelte sich alsbald zu einem wesentlichen Bestandteil unserer kulinarischen Kultur. Von den größten Küchenchefs bis zum Hobbykoch: Chicorée hat einen besonderen Platz in unseren Herzen. Und was auch immer passiert, Chicorée bleibt eine typisch belgische Delikatesse. Heute ist dies der einzige Ort auf der Welt, an dem dieses leicht bittere Gemüse  so angebaut wird , wie es sich gehört: im Dunkeln und in vollem, fruchtbarem Boden. Eine einzigartige Technik, die einen himmlischen Geschmack ergibt.

Shrimp Fishermen

Die Garnelenfischer von Oostduinkerke

Es ist ein bemerkenswertes Schauspiel an der Nordsee. Kräftige Zugpferde waten in der Brandung, mit einem Reiter auf ihrem Rücken, der in knallgelbe Kniestiefel und eine ebenso knallgelbe Öljacke gehüllt ist. Sie ziehen ein großes Netz hinter sich her. Der Zweck: möglichst viele köstliche Garnelen zu sammeln. Die Pferdefischer von Oostduinkerke suchen ihresgleichen.

Dieses Dorf an der flämischen Küste ist der einzige Ort auf der Welt an dem man noch auf diese traditionelle Weise Garnelen fischt. Mit dieser jahrhundertealten Tradition schenken die Garnelenfischer der Welt die allerbesten Nordseegarnelen, eine Säule der reichen kulinarischen Kultur Flanderns.

The Procession of the Holy Blood in Bruges

Die Heilig-Blut-Prozession in Brügge

Wer Brügge sagt, sagt Kulturerbe. Und dann sprechen wir nicht einfach über nur eine einzige Kirche, ein Kloster oder gar eine Kathedrale. Nein, hier gehört fast die ganze Stadt zum Kulturerbe. Die UNESCO hat die vollständige historische Altstadt zum  Weltkulturerbe erklärt. Allerdings gibt es hier auch weniger greifbares Kulturerbe, beispielsweise die Heilig-Blut-Prozession.

Alle Jahre wieder zieht diese einzigartige Prozession zu Christi Himmelfahrt durch die Stadt. Bei dieser historischen Evokation steht das Heilige Blut von Jesus Christus im Mittelpunkt. Dieser mittelalterliche Brauch ist über 700 Jahre alt, bleibt jedoch quicklebendig. Bis heute mobilisiert diese Tradition jährlich hunderte Freiwillige, um diese Prozession jedes Jahr wieder zu einem unvergesslichen, farbenfrohen Schauspiel zu machen.

Last Post Ceremony

The Last Post unter dem Menentor, Ypern

Im Ersten Weltkrieg erlebten wir einige der dunkelsten Seiten unserer Geschichte. Die Folgen waren unübersehbar und zeichnen bis heute die Region Westhoek. Flanders Fields war einer der bedeutendsten Kampfschauplätze dieses Krieges. Die vielen Soldatenfriedhöfe und mehr als 524 Denkmäler in der Region sind seine stillen Zeugen.

In Ypern erklingt jeden Abend  ein musikalisches Gedenken. Und zwar unter dem imposanten Menentor, in das die Namen von 55.000 gefallenen Commonwealth-Soldaten eingraviert sind. Bei Wind und Wetter , bei Regen und Sonnenschein blasen die Hornbläser um Punkt 20 Uhr The Last Post, den Zapfenstreich. Damit wir es niemals vergessen.

The Cat Parade Ypres

Katzenumzug Ypern

Ypern ist einer der wichtigsten Gedenkorte für den Ersten Weltkrieg. Auch wenn es hier manchmal ein wenig leichtfüßiger zugeht. So wird Ypern aufgrund seiner besonderen Beziehung zu diesen Vierbeiner bisweilen auch als Katzenstadt bezeichnet. Davon zeugt der alle drei Jahre stattfindende Katzenumzug, ein riesiger, der Katze geweihter Umzug. Dieses Phänomen verweist auf ein historisches Fest, bei dem lebende Katzen von einem Turm geworfen wurden. Heute geht es aber um einiges tierfreundlicher zu.

Nach einem großen und farbenfrohen Umzug werden Plüschkätzchen vom Belfried geworfen. Das ist das Rezept für einen der erfolgreichsten Umzüge Flanderns. Er lockt jedes Mal aufs Neue rund 50.000 Besucher aus dem In- und Ausland an. Dieses typische Ypersche Phänomen verwundert übrigens bis in den Fernen Osten: Zu jeder Ausgabe reisen rund 5.000 Japaner an, um diese jahrhundertealte Tradition zu bestaunen.

Ros Beiaard Dendermonde

Ross Bayard – Dendermonde

Alle zehn Jahre steht das gesamte Leben in der Stadt Dendermonde still: am Tag des Umzugs des Rosses Bayard. Dieser einzigartige folkloristische Umzug zieht nämlich nur einmal alle zehn Jahre durch die Stadt. Und wenn es so weit ist, entsteht ein einzigartiges Volksfest mit Prunkwagen, Akrobaten, Stelzenläufern, Fahnenschwenkern und Special Effects. Mit dem tänzelnden und sich aufbäumenden Ross Bayard. Das ist ein gigantisches Holzpferd mit vier Kindern auf seinem Rücken: vier Brüdern, dem Nachwuchs von Dendermonder Eltern. Dies verweist seinerseits auf die Vier „Haimonskinder“, Hauptfiguren einer jahrhundertealten Sage.

Das Ross Bayard ist ein zentrales Element für Dendermonde, aber auch außerhalb der Stadtgrenzen bekannt. Unter anderem in der Stadt Mechelen kommt diese Figur in einem eigenen Umzug vor. Bei ihm handelt es sich um eine Prozession von folkloristischen Figuren, wie man sie auch in Brüssel findet. Aber nirgendwo ist diese so groß wie das Ross Bayard in Dendermonde.

Carillon Beiaard SaintRumbolds Tower Mechelen

Glockenspielkultur

Everything’s bigger in Texas? Nicht, wenn es um Musikinstrumente geht - das steht fest. Der Beweis: die Glockenspiele, typisch für Flandern. Die riesigen Glockenspiele, die aus mindestens 23 Meter hohen Glocken bestehen, sind nicht zu übertreffen. Ein solches Glockenspiel wird für gewöhnlich in einem Turm errichtet und kann über eine Klaviatur bespielt werden. Diese einzigartigen Klänge hallen kilometerweit wider.

Damit dieses immaterielle Kulturgut nicht verloren geht, wird es von der Stadt Mechelen mit großem Stolz verbreitet. Dort hält die international renommierte Glockenspielerschule das Feuer am Lodern. Auch wenn dieser musikalische Trumpf bei weitem nicht das einzige Kulturerbe ist, das im pulsierenden Mechelen gepflegt wird. Das ist auch der UNESCO aufgefallen. Vom Sint-Rombouts-Turm über den Belfried und den Großen Beginenhof bis zum burgundischen Stadtpalais Hof van Busleyden: Mechelen ist Schönheit pur.

Paper flowers

Papierblumen am Strand

Die belgische Küste ist ein Ort für eingefleischte Unternehmer. Das beginnt schon im Kindesalter am Nordseestand. Jeden Sommer basteln tausende Kinder wieder Papierblumen aus Krepppapier. Die farbenfrohen Kleinode werden dann in improvisierten Verkaufsbuden zur Handelsware. Und dort gilt nur eine Währung: die Muscheln, die man am Strand findet.

Es ist nicht genau bekannt, wie dieser besondere Brauch entstanden ist. Wir wissen jedoch, dass es ihn ausschließlich an der flämischen Küste gibt, dass er ungefähr im Jahr 1920 entstanden ist und besondere lokale Sonderformen aufweist. Welche Muscheln genau als Währung gelten, unterscheidet sich je nach Küstengemeinde. Es ist gleichzeitig ein toller Strandtipp: Mit etwas Krepppapier aus den Geschäften auf dem Deich können die lieben Kleinen ein eigenes Geschäft beginnen.

Die Liste ist lang, aber längst nicht vollständig. Es beweist einmal mehr, dass Flandern nur so von Kultur und Kulturerbe strotzt, auch wenn sich nicht alles in Gebäuden, Kunstwerken oder historischen Stadtkernen ausdrücken lässt. Auch all das Ungreifbaren, das Flandern zu bieten hat, wird Ihr Herz erobern.

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